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Der Index zur weltweiten Pressefreiheit verbessert sich minimal, doch die Lage bleibt äußerst ernst. Alle Rechte vorbehalten
Screenshot: Reporter ohne GrenzenJournalist:innen in Ungarn kämpfen nicht erst seit der Corona-Krise mit wachsender staatlicher Kontrolle über die Medienlandschaft. Und doch setzt seit Ende März ein Notstandsgesetz neue Maßstäbe für die Einschränkung der Pressefreiheit. Unter dem Deckmantel der Pandemie-Bekämpfung sieht das Gesetz hohe Geldstrafen für Personen vor, die „Falschinformationen“ verbreiten.
Schon Anfang April berichten Journalist:innen, das Gesetz würde als Vorwand genutzt, ihnen Informationen vorzuhalten und sie zu bedrohen.
Es ist somit keine Überraschung, dass Ungarn in der am Montag veröffentlichten
Rangliste der Pressefreiheit 2020 von Reporter ohne Grenzen den 89. von 180 Plätzen belegt. Der Report bezeichnet die Regierung als „eine der repressivsten“ der europäischen Union und konstatiert ein Abgleiten in den Autoritarismus – und das obwohl der Report Ereignisse seit Januar noch nicht berücksichtigt.
Vorstandssprecherin Katja Gloger hält fest, dass schon vor der Krise erschreckend viele Regierungen und politische Kräfte bereit gewesen seien, die Pressefreiheit ihrem Machtstreben unterzuordnen. „Die Corona-Pandemie bündelt bestehende repressive Tendenzen weltweit wie ein Brennglas“, so Gloger.
Die Gewinner und Verlierer
Der Report der Medienfreiheitsorganisation vergleicht Jahr für Jahr die Situation von Journalist:innen in 180 Staaten.
Die Einordnung basiert auf Fragebögen für Expert:innen und Medienschaffende sowie auf Erhebungen zu Gewalttaten oder Haftstrafen gegen Journalist:innen. Aus den beiden Kategorien ergeben sich Punktwerte für jedes Land, die die abschließende Rangordnung bestimmen.
Neben der Rangordnung fasst Reporter ohne Grenzen alle Einzelbewertungen in einem Indikator für die globale Pressefreiheit zusammen, der jährliche Vergleiche erlaubt. Dieser ist seit dem Vorjahr um ein knappes Prozent gesunken – eine kleine Verbesserung der weltweiten Pressefreiheit. Dennoch weist der Indikator seit 2013, dem Jahr seiner Einführung, eine Verschlechterung von 12 Prozent aus.
Im Jahr 2019 gab es sowohl in Malaysia (Rang 101, +22 Plätze) und auf den Malediven (Rang 79, +19 Plätze) demokratische Regierungswechsel. Diese haben zu Lockerungen der Restriktionen geführt, mit denen Medienschaffende zu kämpfen hatten.
In Haiti (Rang 83, -21 Plätze) verschlechterte sich die Lage der Pressefreiheit hingegen: bei Protesten wurden Reporter:innen angegriffen, 2019 wurde zudem ein Journalist ermordet. Auf den Komoren (Rang 75, -19 Plätze) und in Benin (Rang 113, -17 Plätze) nahmen nach politischen Spannungen sowohl Zensur als auch Repressionen für Medienschaffende zu.
Pressefreiheit auch in Europa unter Druck
In Europa weist der Report insbesondere auf Gewalt von Demonstrierenden und der Polizei hin, der Journalist:innen ausgesetzt waren: in Frankreich (Rang 34, -2 Plätze) im Rahmen der Gelbwesten-Proteste und in Spanien (Rang 29, +/- 0) während der Unabhängigkeits-Demonstrationen für Katalonien. Insbesondere in Spanien, Österreich (Rang 18, -2 Plätze), Italien (Rang 41, +2 Plätze) und Griechenland (Rang 65, +/- 0) habe es rechtsextreme oder rechtspopulistisch motivierte Angriffe auf Medienschaffende gegeben, kritisiert Reporter ohne Grenzen.
Neben Ungarn setzt auch die polnische Regierung (Rang 62, -3 Plätze) unabhängige Medien weiter durch Klagen, Ermittlungen oder Werbeboykotte unter Druck. In den EU-Beitrittskandidaten Albanien (Rang 84, -2 Plätze) und Montenegro (Rang 105, -1 Platz) prangert die Organisation
Justizschikanen für kritische Medienschaffende an.
Deutschland
verbessert seine Position im aktuellen Ranking um zwei Plätze und belegt nunmehr den 11. Platz. Insbesondere führt der Bericht hier einen Rückgang an Gewalttaten gegen Journalist:innen im Vergleich zum Vorjahr an. Dennoch warnen die Autor:innen, dies sei kein Grund zur Entwarnung. Vielmehr habe sich fast die Hälfte der Gewalttaten aus dem Jahr 2018 am Rande von rechtspopulistischen Protesten in Chemnitz ereignet. 2019 habe es einfach weniger vergleichbare Veranstaltungen gegeben.
Als bedenklich für die Pressefreiheit in Deutschland stuft die Organisation zwei Gesetzesvorhaben aus 2019 ein. Zum einen hatte das Bundesinnenministerium einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der vorsah, die
Betreibenden von Tor-Servern zu kriminalisieren. Zum anderen kritisieren die Autor:innen, dass es auch 2019 einen
Vorstoß gab, den Einsatz von Staatstrojanern auszuweiten – auch gegen Medienschaffende.
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